METHODE2017-11-01T22:44:56+01:00

Jürgen Angeler über seine Malmethode:

Der Aufbau meiner Bilder geschieht fast immer in Schichten und ich folge dabei in der Farb- und Formenwahl rein meiner Intuiton. Die einzelnen Schichten bilden dann Farb- und Formkontraste und je mehr Schichten ich bei einem Bild verwende, desto mehr Tiefe bekommt es in der Regel schlussendlich. Bei meinen Bildern habe ich zu Beginn nie feste Vorstellungen, wie sie aussehen sollen, wenn sie fertig sind. Auch lehne ich eine definierte „ideale Komposition“ ab und ersetze sie durch die spontane Freiheit meiner intuitiven Logik und Emotionen. Ich fertige die Bilder hauptsächlich mit Spachteln und füge an der obersten Schicht oft Farbspritzer hinzu. Im gesamten Prozess lässt es sich nicht strikt kontrollieren, wie das Endergebnis schließlich aussehen wird und so können die Emotionen und der Geist unverkrampft frei, ungefiltert auf das Bild übertragen werden.

Dabei wird auch ein vorrangiger Aspekt des figurativen Expressionismus angewandt: Der Transport des Unterbewusstseins in das Bewusstsein. Sigmund Freud prägte 1899 diesen Prozess in „Die Traumdeutung“, welchen die klassischen Expressionisten umsetzten. Sie blickten tief in die Seele der Menschen – oftmals ihrer eigenen – und drückten das in ihren Werken aus. Freud vertrat den Ansatz, dass während des Träumens das Unterbewusstsein frei wird. Dies versuchten die Maler dieser Zeit auszudrücken. Mit meiner Methode mache ich in der Abstrakten Kunst nichts anderes, jedoch gehe ich damit in den Moment – bewusst und wach.

Dabei kommt ein wesentlicher Aspekt zur Anwendung: Die Schöpfung aus dem Moment.

Der Verstand ist die meiste Zeit damit beschäftigt, über etwas nachzudenken – meist über die Vergangenheit oder die Zukunft. 5 Minuten vor oder nach einem Moment, sind bereits Vergangenheit und Zukunft und nicht mehr der Moment.

Wenn dem Menschen tatsächlich die unendlich kleine Millisekunde, der Moment an sich, bewusst ist, geschieht eine Befreiung. Diesen Prozess lernte ich in der Meditation und Kontemplation kennen, welche ich jahrelang betrieb.

Geht man in diesem Ansatz weiter, so geschieht in der bewussten Wahrnehmung dieses Moments eine „Ent-Filterung“ der Interpretation und Wahrnehmung von Dingen, die in der Vergangenheit oder in der Zukunft liegen, die also die Erkenntnis des unmittelbaren Moments sowie des reinen Bewusstseins trüben. In dieser Freiheit vollzieht sich die Öffnung des inneren Seelen-Kanals bis in die Feinmotorik des Körpers, also der Hände, mit denen die Gemälde geschaffen werden. Auch erlaubt es die ungetrübte Wirkungsweise der Intuition sowie der Ausdrucksweise. Die Klarheit wird mit den Emotionen verbunden.

Diese Millisekunde im Malprozess auszudrücken, ist Teil meines Konzepts! Dies kommt ständig in Anwendung, z. B. wenn ich Farbspritzer auftrage, ein Prozess, der dem Abschießens eines Pfeils mit einem Bogen gleicht, wo das Innere und die Intuition frei, losgelassen und sichtbar gemacht werden. Diese Freiheit und Authentizität gelangt nicht nur in den Geist, sondern auch in den gesamten Körper. Sie wird dann erreicht, wenn ich alles was ist, durch mich hindurch fließen lasse.


„17-398“, Acryl und Dispersion auf Papier, 30 x 40 cm, 2017

In meinen Workshops vermittle ich also nicht bloß meine Maltechnik, sondern auch ein Intuitions- und Selbstwahrnehmungs- und Selbstbewusstseinstraining, wo sich die Teilnehmer mit ihrer eigenen Substanz wieder verbinden können.

In diesem Moment haben wir alle Möglichkeiten, damit, wer und wie man ist und was man kann. Wir begeben uns auf eine neue, schöpferische Ebene. Werden diese Momente im Leben ausgedehnt und zur Regelmäßigkeit, entsteht eine sehr große Kraft, Energie, Selbstverantwortung und Authentizität.

Hier wird deutlich, wie sehr ich im künstlerischen Prozess das Meditative, Kontemplative integriere und welche wichtige Säule es darstellt.

Wird also der Moment wahrgenommen, aktiv umgesetzt und gelebt und ist sich seiner freien Möglichkeiten bewusst, so wird zugleich die Sinnhaftigkeit von Interpretationen, Bewertungssystemen und Ideologien infrage gestellt. Diese Infragestellung ersetzt Begrenzungen, die sich Menschen selbst machen, durch Freiheit, Intuition und Kraft.

Man sollte sich dabei fragen:

  • Wie sehe ich die Dinge ohne Filter? Das ist der wesentliche psychologische Ansatz meiner Arbeit.
  • Wie sehe ich die Dinge, wenn die Aufmerksamkeit in der momentanen Realität ist (in der Materie, die mich umgibt) – und in meiner Intuition?
  • Wie sehe ich die Dinge, wenn ich meine Gedanken selbstverantwortlich aussuche?

Der bewusste Moment in dem die reine Intuition arbeitet, kann übrigens nicht negativ sein, weil dabei nur noch das Bewusstsein, nicht bewertete und ungefilterte Logik sowie Wahrnehmung und Emotionen übrigbleiben. Mein Ansatz geht nicht darum, etwas ausdrücken, das ich bewerte. Deshalb drücke ich mit meiner Malerei keine Situationen, Thematiken oder die Realität aus, sondern rein die intuitiven Kräfte und Energien des jeweiligen Moments.

In weiterer Folge geht es um die Seele der Welt, das, was über das Individuum hinausgeht und die Menschen wieder zusammenführt.

Meine Maltechnik stellt einen festen Arbeitsprozess dar, welcher in der Funktionsweise des Farbschichtenaufbaus fest konzipiert ist und in dem alle augenblicklichen Beschaffenheiten und Befindlichkeiten des Bewusstseins, befreit und gefördert auf die Bilder synchronisiert werden – transformiert in Ästhetik. Innerhalb dieser Konzipierung sind unendlich viele Farb- und Formkombinationen in mehreren Schichten und somit unendlich viele Bilder möglich.